Vergleichende Kostenanalyse einer allogenen
Femurkopf-Knochenbank bei eigener Anwendung des
Marburger Knochenbank-Systems
(Lobator sd-2)
 
Th. von Garrel
 
5/2003
 
Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie
Philipps-Universität-Marburg
Direktor: Prof. Dr. med. L. Gotzen
 
Kontaktadresse:
OA Dr. med. Thomas von Garrel
Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie
(Direktor: Prof. Dr. L. Gotzen)
Philipps-Universität Marburg
Baldingerstraße
35043 Marburg
www:Этот адрес электронной почты защищён от спам-ботов. У вас должен быть включен JavaScript для просмотра.

 

Zusammenfassung:
 
In den operativen Behandlungskonzepten unfallchirurgischer und orthopädischer Patienten nimmt die allogene Knochentransplantation einen bedeutenden Stellenwert ein. Bei zirka 15% aller Operationen im Rahmen der Wiederherstellungschirurgie des Bewegungsapparates wird eine Knochentransplantation durchgeführt Mit Einführung des DRG-Systems und dem sich stetig verstärkenden Druck zur Kosteneinsparung im Gesundheitswesen hat in der orthopädischen und traumatologischen Knochenchirurgie die wirtschaftliche Seite der Anwendung von Knochentransplantaten und Knochenersatzstoffen einen hohen Stellenwert erhalten. Neben rein medizinischen Aspekten zur Auswahl geeigneter Materialien zur operativen Auffüllung ossärer Defekte am Skelettsystem, müssen daher auch zunehmend finanzielle Faktoren berücksichtigt werden.
Die vorliegende Untersuchung stellt eine exakte Kostenanalyse der allogenen Femurkopf-Knochenbank der Philipps-Universität Marburg dar. Seit 2001 wird diese klinikinterne Knochenbank gemeinsam von der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungsund Handchirurgie sowie der Klinik für Orthopädie und Rheumatologie betrieben. Es wurden die Dokumentation, die Logistik sowie die Kostenfaktoren unter Einsatz eines thermischen Desinfektionssystems (Lobator sd-2) für den Zeitraum 01/2002 bis 12/2002 analysiert. In einer vergleichenden Gegenüberstellung mit alternativen Knochenersatzstoffen soll die Wirtschaftlichkeit einer klinikinternen Knochenbank kritisch überprüft werden.
Im Jahr 2002 wurden 268 allogene Femurköpfe von Lebendspendern zu Transplantationszwecken gewonnen. Die Verwerfungsrate aufgrund positiver serologischer Testergebnisse betrug ca. 9%. 244 Transplantate konnten nach durchschnittlich 10 Tagen zur Verwendung freigegeben werden. Die Kosten pro freigegebenes Femurkopftransplantat betrugen 208,43 EUR, die gesamten Jahreskosten der Knochenbank mit einem Umfang von 244 Transplantaten beliefen sich im Jahre 2002 auf 50.855,33 EUR. Die Laborkosten (57,34%) und die Materialaufwendungen (27,62%) bildeten den größten Anteil der Gesamtkosten. Die Personalkosten sowie die Gerätekosten waren relativ niedrig und machten zusammen weniger als 14% aus.
Der Kostenvergleich mit kommerziell angebotenen Knochentransplantaten bzw. Knochenersatzmaterialien zeigt, dass eine klinikinterne Knochenbank bei Verwendung eines validierten Desinfektionssystems unter strenger Berücksichtigung der Richtlinien zum Führen einer Knochenbank [1] in der Lage ist, biologisch wertvolle, infektiologisch sichere und vor allem finanziell kostengünstige Transplantate herzustellen.
 
1. Spenderkollektiv
Im Zeitraum 01/2002 bis 12/2002 wurden in der unfallchirurgischen und orthopädischen Klinik der Philipps-Universität Marburg insgesamt 389 endoprothetische Hüftoperationen durchgeführt. Alle Patienten wurden initial durch Erhebung einer Risikoanamnese (analog den Richtlinien zum Führen einer Knochenbank), Befragung zur Spendebereitschaft sowie Bestimmung des ALT-Wertes auf eine mögliche Knochenspende überprüft. Dabei wurden 121 Patienten (31%) von einer potentiellen Knochenspende ausgeschlossen.
Im Jahr 2002 wurden von 268 Patienten 268 allogene Femurkopftransplantate gewonnen. Voraussetzung war eine negative Risikoanamnese und körperliche Untersuchung sowie die Bereitschaft zur Spende und Einwilligung in die serologische Testung. Häufigste Indikationen zur Operation waren degenerative Coxarthrosen und traumatische Schenkelhalsfrakturen. Die Geschlechtsverteilung der Spender betrug 43% männliche und 57% weibliche Patienten, das durchschnittliche Spenderalter betrug 67,8 Jahre.
 
2. Spenderscreening und Transplantatbehandlung
Grundlage der Auswahlkriterien von Patienten zur Transplantatspende waren die Richtlinien zur Führung einer Knochenbank des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer aus den Jahre 2001. Diese Richtlinien stimmen zum überwiegenden Teil mit den Empfehlungen der American Association of Tissue Banks (AATB), der European Association of Tissue Banks (EATB) und der European Association of Musculo-Skeletal-Transplantation (EAMST) überein. 
Um dem seit dem Erlass der Richtlinien im Jahr 2001 erweiterten Kenntnisstand Rechnung zu tragen, wurde im Screeningverfahren der Marburger Knochenbank folgende Ergänzung vorgenommen:
- Erfassung psychiatrischer Erkrankungen oder Auffälligkeiten bei der Anamneseerhebung zum Ausschluss neurogener slow-virus-diseases (Jakob-Creutzfeldt).
Von jedem Spender wurde vor der Entnahme neben der Anamneseerhebung sowie der körperlichen Untersuchung analog den Vorgaben der Richtlinien zum Führen einer Knochenbank eine schriftliche Einverständniserklärung zur Knochenentnahme und Durchführung der notwendigen serologischen Untersuchungen eingeholt.
Die Entnahme der Blutproben zur serologischen Untersuchung des Spenders wurde jeweils während der endoprothetischen Hüftoperation vorgenommen und die Proben anschließend zur serologischen Testung weitergegeben.
Bei Entnahme von Hüftkopftransplantaten wurde möglichst unmittelbar nach Entnahme eine Transplantatbearbeitung, d.h. Entfernung anhängender Weichteile und Knorpelschichten, sowie eine sofortige thermische Desinfektion bei 82.5°C im thermischen Desinfektionssystem LOBATOR sd-2 vorgenommen.
Von jedem Einzeltransplantat wird nach der thermischen Desinfektion eine Probe von 20 ml des Desinfektionsmediums (Ringer-Lösung) gewonnen und je 10 ml in eine vorgewärmte (35°C), anaerobe und aerobe Blutkulturf lasche zur bakteriologischen Untersuchung gefüllt.
Nach vollständiger Entfernung der Ringerlösung und eindeutiger Kennzeichnung wurden die Femurköpfe in ihren Transplantatbehältern bei -80°C im Fach „gesperrt“ des Tiefkühlfrosters eingefroren.
Nach Erhalt der serologischen und mikrobiologischen Testergebnisse und Überprüfung auf Vollständigkeit der Dokumentation konnten die Transplantate nach durchschnittlich 10 Tagen vom ärztlichen Knochenbankbeauftragten per Unterschrift freigegeben werden. Danach wurden die Transplantate in das Fach „freigegeben“ des Tiefkühlfrosters umgeräumt und nach dem First in – First out – Prinzip verbraucht.
 
3. Dokumentation
Für jedes Transplantat wurde ein eigener, zweiteiliger, durchschreibender Dokumentationsbogen erstellt, auf dem sämtliche Daten des Transplantatspenders, 
des Transplantates sowie des Empfängers aufgezeichnet wurden:
 
Teil 1 - Spender und Transplantat:
  • fortlaufende, dreistellige Identifikationsnummer für jedes Transplantat
  • persönliche Daten des Spenders
  • Ergebnis der Anamnese
  • Vorliegen der Einverständniserklärung zur Transplantatspende und labordiagnostischer Untersuchungen
  • Ergebnis der klinischen Untersuchung
  • Blutgruppe und Rhesusfaktor
  • Ergebnis der labordiagnostischen Untersuchungen
  • Lotnummer des Transplantatbehälters und der Ringer-Lösung
  • Datum der Desinfektionsbehandlung
  • Größe des Transplantates
  • Freigabe zur Transplantation durch Unterschrift des Knochenbankleiters
Teil 2 - Transplantatempfänger:
  • Aufklärung und Einverständniserklärung des Empfängers
  • Indikation und Art der Operation
  • Skizze zur Lokalisation des Transplantates
Für jedes Transplantat wurde eine Dokumentationsmappe mit folgendem Inhalt angelegt:
  • Dokumentationsbogen
  • Anamnesebogen mit Unterschrift des Patienten und Arztes (beinhaltet auch Einverständniserklärung zur Spende und Bluttestung
  • Schriftliche Laborberichte über die serologische und mikrobiologische Untersuchung
  • Prozessprotokoll über korrekte Behandlung im Lobator sd-2.
Von 268 Transplantaten wurden insgesamt 24 (9%) nach der Entnahme
verworfen. Die Gründe für eine Transplantatverwerfung sind in der Tabelle 1 aufgeführt. In keinem Fall fiel die mikrobiologische Untersuchung nach Wärmebehandlung positiv aus:
 
Grund für Verwerfung  
unvollständige Labordiagnostik 4
positive Hepatitis-C-Testung 6
positive Hepatitis-B-Testung 10
Knochenstruktur nicht geeignet 4
Insgesamt 24

Tabelle 1: Ursachen für eine Verwerfung der Transplantate

 
4. Kostenanalyse der Knochenbank
Innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten (1/02 bis 12/02) wurden 389 Patienten mittels Anamnese und körperlicher Untersuchung auf eine Tauglichkeit als Knochenspender überprüft. Von 268 geeigneten Patienten wurden die resizierten Femurköpfe zur weiteren Untersuchung und Behandlung der Knochenbank zugeführt. Von diesen mussten 24 verworfen werden, d.h. insgesamt 244 Transplantate wurden zur weiteren Verwendung freigegeben. Um die vom ärztlichen und pflegerischen Personal investierte Arbeitszeit zu ermitteln und die damit verbundenen Kosten zu analysieren, wurden in 10 Fällen der Transplantatgewinnung die exakten Zeiten der einzelnen Arbeitsschritte festgehalten und nach Ermittlung der durchschnittlichen Werte zur Berechnung der Kosten herangezogen (Tab.2).
 
Tabelle 2: Kosten der unfallchirurgisch-orthopädischen Knochenbank der Philipps-Universität Marburg
1. Laborkosten pro 1 Knochenspendeuntersuchung  
  Serologie    
 

Hbs-Ag

  17,49 EUR
 

anti-HBc-

  23,32 EUR
 

anti-HCV

  17,49 EUR
 

HIV-Test I/II

  13,41 EUR
 

Lues (TPHA)

  4,08 EUR
 

ALT 14,58 EUR

   
  Mikrobiologie    
 

Blutkultur (aerob/anaerob)

  29,14 EUR
  Kosten pro freigegebenes Transplantat Insgesamt 119,51 EUR
  Kosten pro Jahr (119,51 EUR x 244 freigegebene Transplantate)   29.160,44 EUR
2. Materialien    
  Desinfektionscontainer für Lobator   53,- EUR
  Ringerlösung für Lobator, 1000 ml   0,77 EUR
  20 ml Spritze und 2 Kanülen zur Probeentnahme   0,17 EUR
  Monoveten 2x   1,02 EUR
  Formulare: Spender./Empfänger - Formular   0,25 EUR
  Aufklärungsbogen   0,10 EUR
  Mikrobiologie-, +Serologie-,+Immunologieformulare   1,05 EUR
  Einmalhandschuhe (3 Paar)   0,15 EUR
  Desinfektionsspray (Softasept 1 Fl. 2,59 EUR)   0,05 EUR
    Insgesamt 56,56 EUR
  Zusätzlich Kosten für Druckerfarbe und Papier zum Ausdruck des Behandlungsprotokolls sowie Papierscheiben für Temperaturschreiber des Tiefkühlfrosters Pro Transplantat ca.   1,00 EUR
 

Kosten pro freigegebenes Transplantat

  57,56 EUR
 

Kosten pro Jahr (57,56 EUR x 244 freigegebene Transplantate)

  14.044,64 EUR
3. Gerätkosten , Abschreibung 10 Jahre:    
  Lobator sd-2 pro Jahr 6000,0/10=   600,00 EUR
  Gefrierschrank pro Jahr 7000,0/10=   700,00 EUR
  Sicherheitstechnische Kontrolle Lobator /Jahr   157,50 EUR
  Kosten pro freigegebenes Transplantat   5,97 EUR
  Kosten pro Jahr (5,97 EUR x 244 freigegebene Transplantate)   1.456,68 EUR
4. Personalkosten: Arzt    
  Ärztliche Aufklärung des Spenders pro Transplantation   15 Min.
  Knochen Aufbereitung (Entfernung von Weichteilen und Knorpeln)   3 Min.
  Ausfüllen des Erhebungsbogens für Spender und Empfänger (2x)   3 Min.
  Freigabe der Transplantate sowie Überprüfung der Vollständigkeit von Untersuchungen   12 Min.
    Insgesamt 33 Min.
  Kosten pro freigegebenes Transplantat.: 33 Min. (für 1h nach BAT IIa = 26,84 EUR)   14,76 EUR
  Kosten pro Jahr (14,76 EUR x 244 freigegebene Transplantate)   3601,44 EUR
4.1. Personalkosten: Schwestern    
  Assistenz bei Knochenaufbereitung (Entfernungvon Weichteilen und Knorpeln)   5 Min.
  Vorbereitung, des Erhebungsbogens für Spender und Empfänger mit Eintragung der persönlichen Daten   6 Min.
  Vorbereitung und Ausfüllen von Mikrobiologie-, Virologie- und Serologie-Untersuchungsbögen   6 Min.
  Aussuchen von Transplantaten und Lieferung ins OP   5 Min.
  Behandlung von Knochen im Lobator mit Entnahme mikrobiolg.Proben   15 Min.
    Insgesamt 37 Min.
  Kosten pro freigegebenes Transplantat: (37 Min (für 1h nach KR6 = 13.60 EUR)   8,39 EUR
  Kosten pro Jahr (8,39 EUR x244 freigegebene Transplantate)   2.046,35 EUR
4.2. Personalkosten insgesamt:    
  Kosten pro freigegebenes Transplantat   23,15EUR
  Kosten pro Jahr (23,15 EUR x 244 freigegebene Transplantate)   5.647,79 EUR
5. Laufende Kosten    
  Stromkosten für Kühlschrank    
  Kosten pro freigegebenes Transplantat   2,02 EUR
  Kosten pro Jahr (0,47 kW x 24h x 365 Tagen x O,12 EUR/kW)   494,06 EUR
  Stromkosten für Lobator sd-2    
  Kosten pro freigegebenes Transplantat: (0,3kW x 1,5h x 0,12 EUR)   0,054 EUR
  Kosten pro Jahr (0,054 EUR x 244 freigegebene Transplantate)   13,18 EUR
  Telefonkosten pro Transplantat   0,16EUR
  Telefonkosten pro Jahr (0,16EUR x 244 freigegebene Transplantate)   39,04 EUR
5.1. Laufende Kosten insgesamt:    
  Kosten pro freigegebenes Transplantat   2,24 EUR
  Kosten pro Jahr   545,78 EUR
  Kosten insgesamt pro freigegebenes Transplantat   208,43 EUR
  Kosten insgesamt pro Jahr   50.855,33 EUR
 
Die zusammengefassten Kostenfaktoren der Marburger Knochenbank sind in der Tabelle 3 aufgeführt.
 
 

Pro Jahr

EUR

Pro Transplantat

EUR

%
Laborkosten 29.160,44 119,51 57,34
Materialkosten 14.044,64 57,56 27,62
Gerätekosten 1.456,68 5,97 2,86
Personalkosten 5.647,79 23,15 11,11
Laufende Kosten 545,78 2,24 1,07
Insgesamt 50.855,33 208,43 100
Tabelle 3: Wegen der Verwerfungsrate von 9% muss von einem Kostenaufwand pro Transplantat von 229,04 EUR ausgegangen werden.
 
5. Vergleichende Kostenrechnung
Die Vorraussetzungen zum Führen einer allogenen Knochen- bzw. Gewebebank werden durch die Richtlinien der Bundesärztekammer festgelegt. Diese sind juristisch verbindlich und stellen eine einheitliche Grundlage für alle deutschen Knochenbanken dar. Dabei werden als Sicherheitsstandards ähnliche Kriterien wie die zur Gewinnung von Blut und Blutprodukten für Transfusionszwecke angewendet. Bislang haben sich diese Empfehlungen in der täglichen Praxis deutscher Knochenbanken bewährt. Das Risikobewusstsein und die Qualität bei der Knochenbankführung konnte wesentlich verbessert werden.
Dazu ist die einmalige Testung des Spenders zum Zeitpunkt der Transplantatentnahme auf: HBs-Ag, Anti-HBc, Anti-HBC , HIV-1-2-Ag sowie TPHA und ALT zwingend vorgeschrieben. Außerdem muss eine mikrobiologische Untersuchung durch Spülung der Explantatoberfläche mit anschließender Überführung eines Aliquots von je 5 bis 10ml in ein für aerobe und anaerobe Keime geeignetes Nährmedium und Bebrütung in einem Blutkultursystem für mindestens sieben Tage erfolgen. Die Durchführung einer einfachen Oberflächenuntersuchung des Transplantates durch Watteträgerabstriche ist
nicht zulässig.
 
Knochenbanken mit Sterilisation bzw. Desinfektion der Transplantate
Das an unserer Gewebebank praktizierte Reglement folgt den Richtlinien der Deutschen Bundesärztekammer. Durch die zusätzliche, standardmäßige Behandlung der Knochentransplantate mit dem thermischen Desinfektionsverfahren bei 82,5°C (Lobator sd-2) wird die Sicherheit der T ransplantate hinsichtlich übertragbarer Krankheiten wesentlich erhöht. Bei der Anwendung dieses validierten Verfahrens kann auf eine Quarantänelagerung und erneute serologische Testung des Spenders nach 6 Wochen bzw. 6 Monaten ohne eine Verringerung der Transplantatsicherheit verzichtet werden.
Problematischer gestaltet sich Transplantataufarbeitung wie die die Anwendung anderer Verfahren gelegentlich praktizierte Autoklavierung zur von Knochenmaterial. Zu dieser Methodik fehlen geeignete Bakterien- oder Virusinaktivierungsstudien. Außerdem ist gemäss den Richtlinien für jede Behandlung eine geeignete Dokumentation über die korrekte Durchführung zuerstellen. Insbesondere bei voluminösen Transplantaten (z.B. Femurköpfe) wird in der Knochenmitte nur eine Temperatur von ca. 55° C erre icht, die noch nicht einmal den thermolabilen HIV inaktiviert (Ascherl).
Auch für die Verwendung ionisierender Strahlen durch γ-Bestrahlung mit den gängigen Dosen zwischen 15 und 25 kGy gibt es keine ausreichende Validierung hinsichtlich einer sicheren Virusinaktivierung. Wie zahlreiche Studien zeigen, muss vielmehr eine Bestrahlung mit einer Mindestdosis von 35 kGy zur sicheren Inaktivierung erfolgen.
Auch bei Anwendung von nicht validierten Sterilisationsverfahren wie der Autoklavierung oder der Gammabestrahlung muss in jedem Fall eine initiales Spenderscreening mittels Anamnese und körperlicher Untersuchung sowie eine serologische Basisdiagnostik und mikrobiologische Qualitätskontrolle erfolgen. Auch die exakte Dokumentation und Qualitätssicherung ist hierbei unerlässlich. Die Zweittestung ist ebenso unerlässlich.
 
Konventionelle Knochenbank
Wird eine Knochenbank ohne den Einsatz eines validierten Desinfektions- bzw. Sterilisationsverfahrens betrieben, so ist eine Quarantänelagerung der Transplantate bei -70°C mit anschließender Zweittestung des Spend ers nach 6 Wochen bzw. 6 Monaten zwingend vorgeschrieben.
Wird eine Quarantänelagerung von 6 Wochen praktiziert, so sind folgende Untersuchungen am Spender 6 Wochen nach Knochenexplantation zu erbringen:
  • HBs-Ag (14,58 EUR)
  • Anti-HBc (17,49 EUR)
  • HBV-DNA (202,88 EUR)*
  • Anti-HIV I/II (17,49 EUR)
  • HIV-RNA (128,26 EUR)
  • Anti-HCV (23,32 EUR)
  • HCV-RNA (128,26 EUR)
Da es im Rahmen der poststationären Behandlung in der Regel nicht möglich ist, alle Transplantatspender zur serologischen Kontrolle zu erreichen, kann von einer Ausfallrate von ca. 10% ausgegangen werden.
*: Angaben des Labors der Philipps-Universität Marburg
 
Wird eine Quarantänelagerung von 6 Monaten praktiziert, so sind folgende Laborleistungen zwingend notwendig:-
  • HBs-Ag (14,58 EUR)
  • Anti-HBc (17,49 EUR)
  • Anti-HIV I/II (17,49 EUR)
  • Anti-HCV (23,32 EUR)
  • HCV-RNA (128,26 EUR) – (bei der Ersttestung)
Nach 6 Monaten erhöht sich die Rate der nicht mehr für eine Blutuntersuchung erreichbaren Knochenspender auf ca. 25% (10 bis 50%).
Die in dieser Kalkulation angegebenen Beträge richten sich nach der aktuellen GOÄ und entsprechen den tatsächlichen Ausgaben, die in unserer Klinik für die genannten Untersuchungen zu entrichten sind. Allerdings ist es möglich, durch Verhandlungen mit dem leistungsanbietenden Labor bzw. Vergabe der Untersuchungsaufträge an externe Anbieter, weitaus günstigere Konditionen für die labortechnischen Untersuchungen zu erzielen. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Kostenübersicht der 3 möglichen Knochenbankmodelle wieder (Tabelle 4).
 
Tabelle 4:
*: geschätzte Materialkosten zusammengesetzt aus Angaben in Tabelle 2 Punkt 2 ohne Desinfektinscontainer, jedoch unter Berücksichtigung der Kosten für ein validiertes Transplantatlagerungsgefäß.
**: geschätzte Personalkosten unter Beachtung des verminderten Zeitaufwandes bei konventioneller Knochenbank ohne Desinfektionsprozess jedoch mit vermehrtem Zeitaufwand zur Einholung der Zweittestung bei Quarantänelagerung.
***: Arbeiten „Kontaminationsraten“ (v. Garrel/Frommelt)
  Knochenbank mit 6 Wochen Quarantäne Knochenbank mit 6 Monaten Quarantäne Knochenbank mit validierter Transplantat-desinfektion (Lobator sd-2)
1. Laboruntersuchung 90,37 218,63 90,37
Mikrobiologische Untersuchung 29,14  29,14 29,14
Materialkosten 50.00* 50.00* 57,56
Gerätekosten 2,87 2,87 5,97
Laufende Kosten
2,18 2,18 2,24
Personalkosten 20,00** 20,00** 23,15
Zwischensumme 194,56 322,82 208,43
Berücksichtigung der bakteriellen Kontaminationsrate (10%) 216,18*** 358,69*** Ø***
Berücksichtigung der Ausfallrate von 10% bzw. 25 % 240,20 478,25 Ø
2. Labortestung nach 6 Wochen 532,28 Ø Ø
2. Labortestung nach 6 Monaten Ø 72,88 Ø
Gesamt 772,48 Euro 551,13 Euro 208,43 Euro
 
Bei Nutzung kostengünstigerer Laborleistungen (Reduktionsfaktor 0.4) können die Aufwendungen pro Femurkopftransplantate auf 364,58 EUR (6 Wochen Quarantäne) bzw. 287,16 EUR (6 Monate Quarantäne) bei konventioneller Knochenbanktechnik und auf 136,72 EUR bei Verwendung des Marburger Knochenbank-Systems (Lobator sd-2) reduziert werden.
Da anzunehmen ist, dass die in unserer Klinik aufgetretene Verwerfungsrate von 9% als Durchschnitt für alle Knochenbanken anzusehen ist, wurden die dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten in der vergleichenden Kostenrechnung nicht berücksichtigt.
 
Externe Anbieter einer Transplantataufarbeitung
In den letzten Jahren bieten kommerzielle Unternehmen eine externe Aufbereitung von Femurkopftransplantaten durch unterschiedliche Sterilisationsbehandlungen und Konservierungstechniken an. Diese Vorgehensweise stellt eine juristisch höchst problematische Praxis dar. Die Gewinnung und Verwendung von menschlichem Gewebe wie Knochen wird nicht durch das Transplantationsgesetz (1997) geregelt. Vielmehr unterliegt die Anwendung von Knochentransplantaten dem Arzneimittelgesetz (AMG). Hierin wird definiert:
 
AMG 1976 § 4a Ausnahmen vom Anwendungsbereich
Fassung August 2002
Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf ....
4. menschliche Organe, Organteile und Gewebe, die unter der fachlichen Verantwortung eines Arztes zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen entnommen werden, wenn diese Menschen unter der fachlichen Verantwortung dieses Arztes behandelt werden.
 
Das bedeutet, dass menschliche Knochentransplantate solange nicht den direkten Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes unterliegen, solange sie innerhalb einer Klinik gewonnen, bearbeitet und verbraucht werden. Sobald jedoch die fachliche Verantwortung durch eine Weitergabe der Transplantate an Dritte außerhalb der Klinik wechselt, unterliegen diese Transplantate dem AMG und gelten definitionsgemäß als zulassungspflichtige Arzneimittel. Eine solche Zulassung wird ausschließlich durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter hohen Sicherheitsstandards und Nachweis einer Methodenvalidierung vergeben. Zurzeit ist keiner der externen Anbieter für eine Transplantataufarbeitung von ganzen Femurköpfen im Besitz einer gültigen Arzneimittelzulassung. Eine Klinik, die mit externen Dienstleistungsanbietern zum Zwecke der Transplantatsterilisation oder –konservierung zusammenarbeitet, sollte sich daher immer vom Vorliegen einer gültigen Arzneimittelzulassung für Femurkopftransplantate überzeugen. Ein einfache Herstellungserlaubnis durch die zuständige Überwachungsstelle (Regierungspräsidium) ist in keinem Fall ausreichend.
Außerdem ist auch bei einer Indienstnahme von externen Anbietern, die über ein
von der BfArM validiertes Verfahren verfügen müssen, die Einhaltung der „Richtlinien zum Führen einer Knochenbank“ strengstens zu beachten. Das bedeutet, dass in jedem Fall eine korrekte Spenderanamnese und –Untersuchung sowie eine serologische und mikrobiologische Kontrolle zu erfolgen hat.
 
Kommerzielle Knochenbanken und Knochenersatzstoffe
Ein direkter Kostenvergleich  von Femurkopftransplantaten, die in einer klinikinternen Knochenbank unter Anwendung des Lobator sd-2 Verfahrens hergestellt werden, mit den Angeboten kommerzieller ausländischer Knochentransplantatbietern bzw. Anbietern von Knochenersatzmaterialien ist in Tabelle 5 dargestellt.
 
Tabelle 5:
Kosten für 1 Femurkopf (50 cm3)  

Lobator sd-2 (2002)

229,-EUR

(9%igeVerwerfungsrate berücksichtig)

BIS Foundation (1994)

750,-EUR

Pacific Coast Tissue Bank (1999)

900,-EUR

Tissue International (1994)

990,-EUR

Georgia Tissue Bank (1993)

900,-EUR
Knochenersatzmaterial (50 cm3)  
Endobone (bovines Hydroxyapatit) 1.800,-EUR
 
Schlussfolgerung:
Durch den Einsatz des Marburger Knochenbanksystems Lobator SD-2 in einer klinikinternen Knochenbank kann die Sicherheit allogener Knochentransplantate bei gleichzeitiger Durchführung der notwendigen klinischen und labordiagnostischen Spenderuntersuchungen erheblich gesteigert werden. Die Kosten pro Transplantat steigen dabei nur unwesentlich. Unter Berücksichtigung der niedrigen Verwerfungsrate bei Anwendung einer zusätzlichen Desinfektion kann die Wirtschaftlichkeit insgesamt deutlich erhöht werden.
Bei Verwendung validierter Inaktivierungsverfahren (z.B. Lobator SD-2) kann auf eine serologische Zweittestung nach 6 Wochen (PCR) bzw. 6 Monaten ohne Aufgabe der Sicherheit verzichtet werden. Diese Vorgehensweise ist durch Richtlinien zum Führen einer Knochenbank der Bundesärztekammer abgesichert.
Gegenüber alternativen Knochenersatzstoffen (HA-Keramiken, Calcium- Phosphatkeramiken, xenogene Knochen) zeigen sich gravierende die finanzielle Unterschiede, wobei das klinikinterne Femurkopftransplantat die kostengünstigste Lösung darstellt.